Nach der Arbeit am Haltepunkt Hannover Karl-Wiechert-Allee. Der Zug hält und ich suche mir einen Platz im ersten Wagen. Als ich noch im Rucksack nach dem neuesten Perry Rhodan Roman krame plötzlich ein "Du mußt sofort mitkommen, deine Mutter ist am Telefon". Was ist los? Da ich nicht unbedingt ein Schnellmerker bin muß ein ziemlich dummes Gesicht gemacht haben. Vor mir stand Herr F., Vater einer ehemaligen Klassenkameradin und Lokführer des Zuges. Er hatte mich bei der Einfahrt auf dem Bahnsteig gesehen und dies war seine Einladung zu einer Führerstandmitfahrt. Also raus aus dem Wagen und rauf auf die Lok. Mit dem üblichen Knallen geht es los. Dies ist zwar die Strecke, die ich jeden Tag zwei mal fahre und genau zu kennen glaube, aber von dort vorne ist die Perspektive eine ganz andere. Und daß die Lok schaukelt wußte ich vom Blick durch die Rollade des ersten Wagen, aber hier konnte ich das Schaukeln spüren. Dort neben mir sitzt kein Lokführer, sondern der Kapitän eines schlingernden Schiffes. Leider viel zu schnell ist der Bahnhof Sehnde erreicht. Nach dem Aussteigen bleibe ich noch auf dem Bahnsteig stehen und schaue dem Zug nach, bis er hinter der nächsten Kurve verschwindet. Danke, vielen Dank für dieses tolle Erlebnis.
Ein paar Jahre später, die entgegengesetzte Richtung. An einem noch recht dunklem Morgen fährt der geschobene Wendezug pünktlich in Sehnde ein. Ich setze mich in das hintere Abteil des vorletzten Wagens. Merkwürdigerweise fährt der Zug aber nicht los. Nach ein paar Minuten kommen die Fahrgäste aus dem letzten Wagen nach vorne. Eine Frau fragt mich "Ist hier ein Bahnhof, oder müssen wir auf freier Strecke aussteigen?" "Hier ist der Bahnhof Sehnde, was ist denn los?" "Die Lok brennt." Da der Zug wohl nicht so bald weiterfährt steige ich wieder aus. Dichter dunkler Qualm steigt aus den Lüftungsgittern der Lok. Von vorne kommt in gemächlichem Tempo der Lokführer heran. Er klettert auf den Führerstand und schaut vorsichtig in den Maschinenraum. Wohl einsehend, daß er selber nichts machen kann, steigt wieder aus und verschließt sorgfältig die Führerstandstür. Die Schaffnerin kommt hinzu: "Was machen wir denn nun?" Lokführer: "Am besten, wir rufen die Feuerwehr." Ohne Hast verschwinden beide in Richtung Bahnhofsgebäude. Erstaunlich schnell kommt nach einigen Minuten mit Blaulicht und Sirene der Notfallmanager der Bahn. Nach einem kurzen Blick auf die nur noch leicht qualmende Lok geht auch er Richtung Bahnhofsgebäude. Wieder einige Minuten später kommt die Feuerwehr. Einige Feuerwehrleute, davon zwei mit Preßluftatmern, stehen ratlos vor einer verschlossenen Lok, die nun auch nicht mehr qualmt. Leider muß ich nun los, um den nächsten Bus nach Hannover zu erwischen, aber den interessantesten Teil habe ich wohl mitbekommen.
Ausfahrt aus Lehrte Richtung Hannover. Parallel zu uns
fährt ein RE gezogen von einer Bügelfalte.
Normalerweise ist der RE schnell verschwunden. Normalerweise,
aber nicht heute. Heute ist ein Rennen angesagt. Die graue Maus
fordert die elegante Dame heraus. Obwohl beide nicht mehr die
Jüngsten sind, schenken sie sich nichts. Die tapfere kleine
Lok läßt nicht abhängen, ist sogar etwas
schneller als der angeberische RE. Aber der Sieg ist ihr nicht
gegönnt. Langsam, nein, ziemlich schnell sogar, rückt
der Halt in Ahlten näher. Längst ist der Punkt vorbei,
ab dem man besser bremsen sollte. Viel zu spät bremst der
rote Renner, und bremst, und bremst...
Über Lautsprecher kommt die kleinlaute Ansage, daß
heute nur die letzten beiden Türen des Zuges zum Aussteigen
benutzt werden können. Im Zug hasten einige Fahrgäste
nach hinten, auf dem Bahnsteig dagegen andere nach vorne. Der
Rest der Fahrt verläuft unspektakulär mit ordentlichen
Halt an jeder H-Tafel.
Einfahrt nach Lehrte aus Richtung Sehnde bei einem starken Gewitter. Ich sitze im letzten Abteil des Zuges direkt vor der Lok. Auf einmal ein grelles Aufleuchten gleichzeitig mit einem unheimlichen Knall. Der Blitz muß entweder direkt in die Lok oder zumindest nicht weit davon entfernt in die Oberleitung eingeschlagen sein. Kurz nach dem Halt am Bahnsteig kommt auch schon der Lokführer angerannt und verschwindet auf der Lok. Nach wenigen Minuten Bastelei geht der Stromabnehmer wieder hoch und der Lüfter springt an. Bei jeder modernen Lok wäre wahrscheinlich die ganze Elektronik durchgebrannt, aber das alte Mädchen fährt weiter als ob nichts gewesen ist.
![]() |
![]() |